Einzelausstellung im Künstlerhaus, Göttingen
3. April - 1. Mai 2022
SHIFT: Angst & Neugier
Biografische Retrospektive –
offenes Ausstellungskonzept
Angst & Neugier ist ein neues Konzept einer Art biografischer Retrospektive: Arbeiten aus drei Jahrzehnten künstlerischer Praxis sowie neue Werke werden zusätzlich zu ihrer immanenten Bedeutung in einen subjektiven Kontext gestellt. Die Ausstellung SHIFT, die für das Künstlerhaus Göttingen konzipiert wurde, stellt in fünf Räumen multimediale Werke vor, die Besucherinnen und Besucher auf eine abwechslungsreiche Reise durch das Zusammenspiel von persönlichen Erfahrungen und elektronischen Medien führen.
Kunst ist subjektiv: der subjektive Blick von Künstlerinnen und Künstlern auf die Umgebung sensibilisiert – über die Umsetzung in Kunst – die Wahrnehmung der Betrachtenden. Dieser Blick wird von zahlreichen Dingen beeinflusst und ändert sich ständig, so bleibt Kunst im Kontext relevant. Aber nicht nur der Kontext, sondern auch die eigene Entwicklung im Lebenslauf prägen das Kunstschaffen. Immer neue Erfahrungen und Beobachtungen fließen in die künstlerische Arbeit ein, über eine längere Zeit hinweg werden die darunterliegenden Strukturen der Persönlichkeit in den Kunstwerken sichtbar.
Stellt Euch vor: Ein Junge von 12 Jahren, der beim Fahnenappell in der Schule strammstehen soll und heimlich mit wenigen schnellen Strichen die verhasste Direktorin skizziert. Der nicht gerne auf die Straße geht, weil die Buchwelten viel weitläufiger und abwechslungsreicher sind und ein Schlag ins Gesicht nicht so weh tat wie draußen. Der seines Namens und später seiner langen Haare wegen als Mädchen eingeordnet wurde, was ihm erst peinlich, irgendwann aber eine bewusste Relativierung von Grenzen war.
Ein Jugendlicher bei der Malerlehre, den die Kollegen trotz Unverständnis die Zeit gewähren, auf der Leiter Portraits von ihnen anzufertigen. Der Super-8-Aufnahmen seiner sterbenden Mutter macht und die Szenen im Nachhinein als Storyboard-Zeichnungen festhält ohne den Film anzuhalten. Der bei seinen häufigen Reisen einen Stift und die Kamera immer mit dabei hatte.
Ein junger Mensch, der Atmosphären sieht: Licht, Geometrie, Bewegung, das Unausgesprochene, Trügerische, Komplexe, Grenzüberschreitende, Nicht-Einzuordnende, das Verbinden von Gegensätzen, die Sicht aus vielen Perspektiven, die Freiheit. Dem die Wirklichkeit oft Angst machte, der sich aber nicht verängstigen lassen wollte. Den der Trotz und die Lebenslust neugierig und aufnahmebereit machte. Der immer neue Formen und Abläufe suchte, seine Erfahrungen festzuhalten und mitzuteilen. Angst als Seele der Neugier. Neugier als Überlebensstrategie.